Das Herunterfallen von Hochpräzisionsinstrumenten ist in der Regel unerwünscht – durch eine solche Handhabung hören sie oft auf zu funktionieren. Doch genau das taten Forscher des Max-Planck-Instituts, indem sie ihren Laboraufbau vom Bremer Universitätsturm in den freien Fall schickten.


Experimentierkapsel "am Start". Bald wird sie aus 146 Metern Höhe stürzen.
Physiker werden das Bose-Einstein-Kondensat in der Schwerelosigkeit nutzen, um hochpräzise Instrumente zu bauen, die das Gravitationsfeld der Erde messen. Damit ließen sich eine Reihe von Problemen lösen – von der Suche nach Mineralien bis hin zur physikalischen Grundlagenforschung.
Im Vakuum fällt eine Feder mit der gleichen Geschwindigkeit wie eine Bleikugel - eine Tatsache, die Schulkindern als unumstößlich gilt. Das Äquivalenzprinzip ist jedoch nur ein noch zu prüfendes Postulat. Wissenschaftler wollen ein Gerät schaffen, das die Schwerkraft mit extrem hoher Genauigkeit misst, und testen, ob diese Hypothese wirklich als physikalisches Gesetz erkannt werden kann.
Forscher induzierten die Bildung eines Bose-Einstein-Kondensats (BEC) und beobachteten sein Verh alten im freien Fall für mehr als eine Sekunde. Dazu platzierten sie eine magneto-optische Falle in einer zylindrischen Kapsel mit einer Länge von 2,15 Metern und einem Durchmesser von 1,2 Metern. Nachdem mehrere Millionen Rubidiumatome in die Falle „geladen“wurden, wurde die Anlage aus 146 m Höhe abgeworfen. Für solche Experimente wird der Turm am Zentrum für Angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation der Universität Bremen genutzt.
Während der vier Sekunden, in denen die Kapsel fiel, lösten die Forscher aus der Ferne die Bildung eines BEC aus: Starke Magnetfelder und Laser, die die Partikel in einer Falle hielten, kühlten sie auf eine Temperatur von nur wenigen Millionstel Grad darüber ab Absoluter Nullpunkt. Nachdem sie fast ihre gesamte Energie verloren hatten, gingen die Teilchen in einen einzigen quantenmechanischen Zustand über und begannen sich wie ein Quantenteilchen zu verh alten.
Die im Experiment verwendete magneto-optische Falle (" Atomchip") erzeugt ein BEC in weniger als einer Sekunde (während es bei einem herkömmlichen Laboraufbau etwa eine Minute dauert). Außerdem benötigt der "Atomchip" viel weniger Energie, um Teilchen in den BEC-Zustand zu überführen.
Sobald die Atome in der Kapsel in einen einzigen quantenmechanischen Zustand übergingen, lösten die Forscher das BEC vorsichtig aus der Falle. In der Kapsel angebrachte Kameras ermöglichten es ihnen, sein Verh alten zu beobachten. Die Bewegung des BEC reagiert äußerst empfindlich auf den Einfluss äußerer Felder – zum Beispiel Unterschiede im Gravitationsfeld der Erde. Diese Unterschiede bestehen insbesondere darin, dass die Erdkruste an verschiedenen Stellen ihrer Oberfläche keine einheitliche Dichte aufweist. Je länger sich das BEC in Schwerelosigkeit ausdehnt, desto deutlicher wird der Einfluss äußerer Felder auf sein Verh alten sichtbar.
Da jedes Teilchen als Welle betrachtet werden kann, können die Auswirkungen externer Felder auf das BEC mit einem Atominterferometer gemessen werden. Das Quantengas sp altet sich in zwei Teile und bewegt sich im Gravitationsfeld auf zwei unterschiedlichen „Bahnen“in der Raumzeit. Die Schwerkraft verhält sich wie ein optisches Medium, das die Wellen der Materie bricht. Sobald sich ihre "Pfade" kreuzen, kommt es zu Interferenzen. Das Interferenzmuster hängt von der Art der Ausdehnung jeder der Materiewellen ab. Um das Äquivalenzprinzip zu testen, ist es notwendig, Materiewellen unterschiedlicher Zusammensetzung zu vergleichen.
Wissenschaftler wollen ein ähnliches Atominterferometer bauen und damit die Ergebnisse eines Experiments auf einem Turm in Bremen aufzeichnen. Eine ähnliche Studie würden Physiker auch gerne im Weltall durchführen, denn je länger das Bose-Einstein-Kondensat in der Schwerelosigkeit verweilt, desto eher lässt sich herausfinden, ob im Vakuum wirklich alle Körper gleich schnell fallen.
Pressemitteilung der Max Plank Society